1939

Der neue Verein „Bürgerschützenverein Stadtlohn – Schützenfest unter NS-Diktat“

In den Jahren 1937 und 1938 hatten sowohl die Georgius-Schützen, aber vor allem die ehemaligen Wessendorfer Schwierigkeiten ihre Mitgliederzahlen zu halten. Wie in den Jahren 1928/1929 gab es wieder Überlegungen eine Vereinigung der beiden Schützenvereine herbeizuführen. Ähnliche Bemühungen gab es beim Bürgermeister Clemens Blanke auf der Generalversammlung der Georgius-Gilde. Auch bestärkten NS-Funktionäre dies seit 1938 mit der Parole „Ein Ort, ein Schützenverein, ein Schützenfest“. Auch in den Orten Borken, Coesfeld, Vreden, Ahaus usw. kam es zu weiteren Zusammenschlüssen. Für 1939 plante man ein gemeinsames Schützenfest. Die anstehenden Vorbereitungen verlangten eine schnelle Klärung. Innerhalb von 14 Tagen gab es eine Reihe interner Besprechungen. In einer gemeinsamen Sitzung beider Vorstände im Gasthof Frechen am 31. Mai 1939 legte NS-Ortsgruppenleiter Ameis die Gründe für ein Zusammengehen der städtischen Schützenvereine dar. Nach kurzer Beratung erklärte der „Vereinsführer“ Heinrich Niewöhner den Übertritt unseres Vereins in den der Bürgerschützen.

Es folgten am Sonntag den 4. Juni 1939 zwei getrennte Generalversammlungen in den Lokalen Schlüter (ehem. Wessendorfer) und Frechen (Bürgerschützen). In einer Abschlussversammlung im Lokal Frechen, wurde der Zusammenschluss vollzogen. Ortsgruppenleiter Ameis konnte seine Freude darüber nicht verhehlen, alle Stadtlohner Feste wie Karneval, Kirmes und Schützenfest auf die neue politische Linie eingeschworen zu haben. Am Sonntag, den 25. Juni gab es dann die erste gemeinsame Generalversammlung des neuen Bürgerschützenvereins Stadtlohn. Werner Hecking wurde „Vereinsführer“. Von den ehemaligen Wessendorfern kamen Heinrich Niewöhner, Bernhard Stovermann, Otto Schmäing und Bernhard Lensing in den Vorstand. Elf Offiziere wurden in das Offizierscorps übernommen. Der Beitrag wurde mit 2 Reichsmark festgesetzt. Heinrich Hesse und Dominik Krott übernahmen das Kommando der Hauptwache. Bei den Offizieren mussten Änderungen in Kraft treten, die das NS-Regime veranlasst hatte. Sie durften keine militärischen Rangabzeichen mehr tragen. Oberst und Major erhielten rote, alle anderen silberne Ärmelstreifen. Dabei hatte man noch Glück. Die Einschränkungen hätten noch größer sein können, denn im April 1938 erließen die Nazis die „Anordnung 55“, nach der Federbüsche, Feldbinden, Epauletten, Schärpen, Sterne, Achselstücke und Säbel verboten waren. Ebenso waren die üblichen Schützenorden nicht mehr erlaubt und die militärischen Rangbezeichnungen wie Oberst, Major usw. mussten verschwinden.

König Hermann Hecking auf der Rathaustreppe, 3 Wochen bevor der 2. Weltkrieg begann, aus dem er nie wieder zurückkehrte.

Für das geplante gemeinsame Schützenfest musste Einiges geändert werden. Da die Schützenhalle mit Getreide gefüllt war, hatte man vor dem Berkelstadion ein 70 x 13 m großes Zelt errichtet. Das Programm wurde wesentlich gekürzt. Es begann am Sonntag, den 30. Juli mit einem Scheibenschießen aller drei Kompanien auf dem Schießstand im Lohner Brook. Nachmittags ging der traditionelle Ausmarsch zur Vorübung auf der Immingschen Weide. Am Samstagmittag, den 5. August krachten zum Festauftakt die Böllerschüsse über der Stadt. Unter den Klängen der Husarenkapelle nahmen am Abend die Schützen im Zelt ihre Taschen in Empfang. Nach dem Weckruf am Sonntagmorgen startete nach der Parole auf dem Marktplatz der Umzug durch die Stadt zum Festzelt. Eine große Volksmenge begleitete das Schützenbattallion am Nachmittag zum Vogelschießen nach Wessendorf. NS-Kreisschützenführer Bongardt übernahm die Weihe und Übergabe der neuen DSV-Bundesfahne. Beim Vogelschießen war Hermann Hecking der Beste und erwählte Gertrud Hecking zu seiner Königin. Um 18 Uhr ging es zurück zu Stadt zum Empfang im Rathaus und zur Parade auf dem Markt. Mit dem Fackelzug, der Huldigungspolonaise mit Feuerwerk und dem Krönungsball ging der erste Festtag zu Ende. Am Montag war Arbeitsruhe in allen Betrieben. Vormittags fand die Königsparade auf dem Markt statt, daran anschließend der Festzug und der Frühschoppen. Am Nachmittag war Kaffeekränzchen der Damen und abends Polonaise und Festball mit Abschlusstanz am Marktbrunnen. Es war ein gutes Fest, sollte aber auch vorläufig das letzte sein. Wenige Wochen später begann der Zweite Weltkrieg. Viele Schützen mussten ihr Leben lassen, unter ihnen auch der Schützenkönig von 1939, Hermann Hecking, der als Oberstleutnant am 2. Jahrestag seines Königsschusses, am 6. August 1941, einer russischen Granate zum Opfer fiel. Seinen Namen konnte er nicht mehr auf dem Königssilber verewigen. Trotz aller politischen Irrtümer und der damit verbundenen Schuld blieben in unserer Stadt die menschlichen und nachbarlichen Beziehungen das Wesentliche.